Es ist ein normaler Donnerstag. Ich bin schon zwei Tage in Verzug mit meiner Mail am normalen Dienstag. (Die jeder bekommt, der ein Abonnent ist ;)
Aber ich habe wohl auch einen guten Grund. Ich bin seit zwei Tagen wieder zurück. Zurück in einer anderen Welt. Einer, die mir acht Jahre meines Lebens vertraut und geliebt war. Eine Art Heimat, da so viele Orte hier in mir solch wache und warme Erinnerungen hervorrufen.
Kleine Mauern, auf denen meine kleinen Kinder gelaufen und freudig rufend hinuntergesprungen sind. Geschäfte, in denen ich täglich einkaufen war und einen Plausch gehalten habe. Nektarinen und Äpfel in Plastikbeuteln. Enge Straßen mit Mauern und Toren dazwischen. Ich schaue hoch und sehe den großen Berg, sehe den blauen Himmel und spüre die heiße Sonne, die um die Mittagszeit ordentlich sticht. Ich höre das Gurren der Tauben, das Gackern der Hühner und das Muhen der Kühe.
Wind streift durch den großen Maulbeerbaum im Garten, dessen Äste sich nun weit über die ganze Breite unseres Gartens gebreitet haben, wie ein Zelt, wie ein Dach über der Wiese, auf der drei meiner Kinder laufen gelernt haben.
Der Teppich im Flur ist noch der alte, nichts hat sich verändert. Ich kenne jede Falte, jedes Kissen, den Geruch und die offene Wand im Bad, aus der die Rohre für die Dusche ragen. Die Spinnennetze überall, ach, sie machen mir so gar nichts mehr aus. Und der Garten - so wild und voll, mit Weintrauben und Kürbisranken, mit Tomaten und Gurken und Bäumen, deren Früchte durch einen plötzlichen Kälteeinfall nie zur Reife kommen.







Ich sitze wieder hier, in meinem alten vertrauten Zuhause. Albanien. Ganz im Norden, an der Grenze zum Kosovo. Höre wieder den Ruf des Muezzin. Spreche die bekannte Sprache, die Zunge gewöhnt sich schnell um. Was sie gut gelernt hat, das behält sie und weiß es wieder wachzurufen. Zögerlich und etwas wackelig steigt man in den Fluss, bis die Strömung einen mitreißt.
Meine beiden Großen sind schnell wieder eng verbunden mit ihren Schwestern und Brüdern hier. Mit den Kindern, mit denen sie aufgewachsen sind. Lachen, strahlende Gesichter, ein unsichtbares Band, das zusammenhält über Zeit, Kultur und Grenzen hinweg. Es hält. Es festigt sich jedes Mal mehr. Und mein Kleinster? Er spricht und versteht die Sprache nicht mehr, aber sein Herz, das lebt hier auf. Es ist völlig erwärmt für seine alten albanischen Opa und Oma. Eine so innige und schöne Liebe, die keinem verbalen Ausdruck bedarf. Nur Blicke und Liebe und das Zeichen mit der Hand: Setz dich neben mich. Wunderschön, das erleben zu dürfen.



Mein Herz braucht immer etwas, um in diese Welt einzutauchen und ganz hier zu sein. Vier Jahre sind vergangen, dass wir von hier weggegangen sind. Was für ein schmerzhafter Abschied das war. Jetzt geht mein Leben woanders weiter. Aber einmal im Jahr, da bin ich hier und atme ein wenig das ein, was ich geliebt habe, wenn auch das, was schwer war, ziemlich bald aus seiner Ecke hervorgekrochen kommt und die Realität in Farben malt, die nicht nur hell und leuchtend sind.
Nein, da waren auch die großen Herausforderungen und nur hier und da kratze ich an dem Gefühl der Schwere und der Konflikte und der Traurigkeit. Denn das begleitet mich auch hier: Trauer und Tod. Die Endlichkeit und das Leben, das hart war und noch unerlöst ist. Es ist ein Schwanken zwischen Freude und Leichtigkeit und Mitgefühl und Bedrückung.
Einmal mehr möchte ich diese Zeit hier nutzen, um Licht und Liebe zu verbreiten, so gut ich kann und Gott mir Gnade schenkt. Will mich von der Schwere nicht in die Tiefe ziehen lassen, will loslassen und bei Gott lassen. Jeden Morgen neu. Ich will mich überraschen lassen von dem, was Gott schenkt. Augen und Ohren offen für Ihn, bereit zu hören und zu tun, was er mir sagt!

Ein Lied hat mir Gott am Abend vor meiner Abreise geschenkt. Ein Lied, das mich durch diese besondere Zeit begleitet...
The sound of your loving voice
Weck mich mit dem Klang deiner Liebe,
schon früh am Morgen – das reicht mir zum Leben.
Zeig mir den Weg, den ich gehen soll,
denn ich warte ganz auf dich –
Ohren offen, Augen weit.
Rette mich vor meinen Feinden, Gott –
du bist meine einzige Hoffnung!
Ich renne in deine Arme –
du bist der Ort, wo ich sicher bin.
Lehre mich, so zu leben, dass es dir gefällt,
denn du bist mein Gott.
Führ mich mit deinem heiligen Geist
auf ebenem, klarem Land.
Tu es für deinen Namen, HERR –
schenk mir Leben, damit du geehrt wirst!
(Psalm 143,8-11)