Es ist wieder der Alltag eingekehrt. Die Blumenläden freuen sich über das gute Geschäft, welches sie an diesem Tag machen konnten. Blumen über Blumen. Wertschätzende Worte. Ein ausgedehnter Besuch. Oder ein seltener Anruf. Frühstück am Bett, Karten und gebastelte Blumen, die nicht verwelken. Kinder, die besonders lieb sind oder es sein wollen.

Die Sonne hat dieses Jahr hell und warm geschienen, an diesem Muttertag. Als ob auch Gott im Himmel seine liebende Hand runter reichen würde und sie all den Müttern auf die Schulter legte und sagte: Gut gemacht.

Dieses Jahr war mein Mann nicht da, um diesen Tag mit mir und den Kindern zu feiern. Doch meine Kinder haben sich ins Zeug gelegt und mir wirklich große Freude gemacht an diesem Tag. Ich kann stolz auf sie sein. Auch stolz, weil ich ihre Mama sein darf. Ein bisschen fühlt sich der Tag an, wie ein Geburtstag. Alle Konzentration auf mich als Mama, als ob dieser Tag irgendetwas ändern würde an der Tatsache, dass ich jeden Tag Mutter bin.

Ich wünschte mir von Gott ein Wort für diesen Tag. Für mich und für euch alle, die ihr das hier lest und Mütter seid. Aber nicht nur für die, die leibliche Kinder haben. Ein Wort für alle Frauen, die in Gottes Ebenbild geschaffen sind, geschaffen, Leben zu geben - und das meine ich nicht nur in dem rein physischen Sinn. Du gibst als Frau nicht nur Leben, wenn in deiner Gebärmutter ein Kind heranwächst und du es zur Welt bringst.

Gott hat mir tatsächlich ein Wort gegeben an diesem Tag. Und ich finde es so passend, dass ich es nicht am Sonntag, sondern heute, am Dienstag, an euch weitergebe.

Heute ist Dienstag. Ein ganz normaler Dienstag. Alltag. Stress vielleicht. Termine. Arbeit. Kochen und die Wäsche in den leichten sonnigen Wind hängen.

Und zwischendrin hoffe ich, dass du Zeit findest, das hier zu lesen:

Er saß da, am Rand der Stadt. Hatte von dem ganzen Tumult kaum etwas gehört. Als ob er nicht nur blind, sondern auch taub gewesen wäre. Doch dann kommt dieser Mann aus der Stadt heraus und es geht nicht anders, als es mitzubekommen. Der blinde Bettler Bartimäus, der Sohn eines Mannes, dessen Namen genannt wird, aber auch der Sohn einer Frau, seiner Mutter. Als er nun hört, wer an ihm vorüber geht, erwacht in ihm die Sehnsucht. Beginnt sich etwas in ihm zusammenzuziehen, wie eine große Welle, die sich zurückzieht, nur um mit voller Wucht an Land zu brechen. Etwas, was wir Hoffnung nennen. Blind und bettelnd schreit er heraus, was Jahre innerer Einsamkeit und Ausweglosigkeit angestaut hatten. Jetzt, jetzt muss es raus. Jetzt, jetzt ist die Gelegenheit.

Und wie ein nicht enden wollender Strudel reißen ihn seine Worte immer weiter. Es ist das, was wir Hoffnung nennen. Hoffnung auf Licht. Hoffnung auf Veränderung. Hoffnung, eingefangen jetzt und zusammengeschrien und geworfen auf den Einen. Den Einen, der gerade an ihm vorüber geht:

Sohn Davids, JESUS, erbarme dich meiner!

Doch Hoffnung ist ein umkämpftes Feld. Sie muss oft da wachsen lernen, wo der Grund steinig und hart ist. Wie die vielen, die vielen, wie es in Markus 10,48 heißt, die ihn bedrohen und zum schweigen bringen wollen. Menschen ohne Mitleid. Menschen ohne Verständnis. Menschen, die sich gestört fühlen. Die zu wissen meinen, was Jesus will und kann und hören sollte.

Doch kennt ihr die Wellen am Meer, wie sie immer weiter sich zusammenziehen um sich wieder von neuem mit Wucht zu brechen? Der arme blinde Bettler kann nicht anders. Hoffnung und Glaube sind ein seltsam Ding. Sie lassen sich nicht hindern. Sie lassen es sich nicht nehmen zu leben und weiter zu leben und immer größer zu werden, gerade dann, wenn der Boden immer härter wird und das Umfeld immer unbarmherziger.

Der Blinde schreit umso mehr. Umso mehr! Eine Welle nach der anderen. Geweckte und einmal ausgebrochene Hoffnung und unbändiger Glaube können nicht eingefangen und wieder eingesperrt werden. Können nicht verboten werden. Im Gegenteil: Der Widerstand bewirkt eines: Jetzt erst recht!! Immer lauter:

Sohn Davids, erbarme dich meiner!
Und Jesus blieb stehen...

Es gibt ein Gebet, das Jesus immer hört. Und Jesus bleibt stehen. Alle anderen mit ihm. Er unterbricht seinen Weg. Er hört die laute und verzweifelte und hoffnungsvolle Stimme des einen blinden Bettlers am Tor von Jericho.

...und sagt: Ruft ihn!

Zwei Worte. Zwei wunderbare Worte. Jesus weiß genau, wer da ruft. Er hätte auch sagen können: Ruft mir meinen geliebten Sohn Bartimäus.

Bringt ihn zu mir. Er ruft mich, nun rufe ich ihn. Er soll nah bei mir sein.

Die Menschen, vorher hartherzig und kalt, bloß gestört von dem lauten Tosen der Wellen, sie bekommen einen Auftrag von Jesus. Sie bleiben mit ihm stehen und dürfen verstehen: Dieser Ruf, dieses Gebet, das stört Jesus nicht. Sie bleiben stehen und wundern sich. Hat Jesus nicht besseres zu tun, als diesen armen blinden Bettler zu rufen? Doch die Menschen bringen eine Botschaft der Hoffnung zu dem aufgeschäumten Herzen des Blinden:

Sei guten Mutes! Steh auf, er ruft dich.

Was für eine Nachricht. Du kannst aufhören zu schreien. Dein Gebet ist erhört. Sei guten Mutes - wie ich diesen Ausdruck liebe! Nimm deinen Glauben fest in die Hand, lass dein altes Bettlergewand zurück und steh auf. Steh auf! Verlasse den Ort, an dem du sitzt und bettelst, den Ort deiner Schmach und Schande und Hilflosigkeit und geh zu dem, der dich ruft. Geballte, angestaute Hoffnung und mutiger, entschlossener Glaube - bringe sie zu den Füßen dessen, der dich ruft!

Beim Namen gerufen - Jesus kannte seinen Namen.

Er sprang nun auf, sofort, egal ob blind, warf sein Gewand ab und kommt zu Jesus.

...und kam zu Jesus

Wisst ihr, was hinter diesem Satz steht? Diesen wenigen und einfachen Worten? Es ist die Essenz dessen, was Glaube ist:

Das Wesen des Glaubens ist, zu Christus zu kommen.  …
Der Mensch sieht seine Not, gibt seine Hilflosigkeit zu, geht zu Jesus, sagt ihm genau, wie schlecht es um ihn steht und legt seine Sache in Jesu Hand. …
Deine Hilflosigkeit wird in dem Augenblick zum Gebet, wenn du zu Jesus gehst und mit ihm aufrichtig und voll Vertrauen über deine Not sprichst. Und das heißt glauben.
(Ole Hallesby)

Jesus spricht sofort zu ihm und fragt ihn:

Was willst du, dass ich dir tun soll?

Was willst du? Ein Blinder steht vor Jesus und er fragt ihn: Was willst du?

Vielleicht ist das eine Antwort auf die Frage, warum wir beten sollen. Jesus wünscht sich unser Gebet und unseren Ausdruck. Er weiß schon alles und doch sind seine Worte wie das leise Säuseln, wie der warme Sommerwind, wie die zärtliche Hand der Mutter, wie der mutmachende Blick des Vaters, wie die Sonne, die plötzlich hinter der dunklen Wolkenwand hindurchbricht, wie das Wort zum Sturm, welches alle Wellen der Hoffnungslosigkeit zum Schweigen bringt. Diese Frage ist die Antwort auf das Gebet. Diese Frage ist der Inbegriff von Liebe.

Ich sehe dich. Ich weiß alles über dich. Ich liebe dich. Du bist mein Sohn. Was willst du, das ich dir tue? Hier stehe ich, bereit, dir in allem zu helfen. Bitte nur und es wird dir gegeben.

Rabbuni, dass ich sehend werde.

Sohn Davids, Jesus, Lehrer - dass ich sehend werde. Dass meine Augen aufgetan werden! Ich will sehen. Ich will dich sehen. Will endlich ausbrechen aus dem Gefängnis der Dunkelheit und ins Licht treten.

Und wisst ihr, was das erste ist, was er sehen wird? Jesus!

Der blinde Bettler weiß, was ihm fehlt. Es weiß, was er möchte. Und seine Bitte sollte auch unser innerer Wunsch jeden Tag neu sein:

Dass ich sehend werde.

Wir Menschen sind geplagt mit einer Blindheit. Zwar mögen unserer Augen noch recht gut sehen, dennoch sind wir oft wie blinde Bettler. Unsere Augen sind verschlossen. Sie sehen nicht, was wirklich ist. Sie sehen nicht, wer immer vor uns steht und hinter uns und über uns. Sie sehen nicht all das, was uns geschenkt ist. Sehen nicht das Gute und das Wahre und das Schöne. Sie sehen wie durch einen Schleier. Sie sehen manchmal nur die Dunkelheit, als wären sie verschlossen. Sie sehen nicht das Licht und den Weg und die Fülle und die Gnade und die Vergebung und die Liebe und das Erbe und das, was noch kommen wird, wenn nach einem langen Schlaf unsere Augen in der Herrlichkeit geöffnet werden und wir sehen, was der Blinde sah: JESUS.

Dass ich sehend werde. Das ist mein Wunsch. Mein größter Wunsch. Für mein Muttersein, für mein Ehefrau sein. Für mein ganzes Leben. So vieles beginnt damit, zu sehen. Und damit meine ich nicht in erster Linie das physische sehen mit unseren Augen, wenn auch das uns manchmal scheinbar abhanden gekommen scheint.

Ich meine das sehen mit unserem Herzen. Das dahinter Sehen. Das tiefer Sehen. Das liebende Sehen, das barmherzige Sehen, das klare Sehen - all das, was die Augen unseres Herzens tun, die von Jesus erleuchtet worden sind.

Und dann, dann sagt Jesus nur:

Geh hin! Dein Glaube hat dich geheilt. Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm auf dem Weg nach.

Ungebrochener Glaube, der von Jesus gerufen wurde. Es ist kein Anrühren nötig. Kein Teig auf die Augen. Nichts. Geh hin. Dein Glaube ist groß.

Heißt das nun, dass wir immer geheilt werden, wenn unser Glaube nur groß genug ist? Heißt das, dass ich nicht richtig glaube, wenn ich noch krank bin?

Es ist meine feste Überzeugung: Nein.

Aber meine feste Überzeugung ist es: Das Gebet, sehend zu werden, das erhört Jesus immer! Das Gebet um Sein Erbarmen, das erhört er immer. Er ruft uns immer zu sich! Er ruft uns in seine Gegenwart. Er ruft uns in seine Nachfolge. Er ruft uns in sein Licht. Er will unsere Augen öffnen, er kann unsere Krankheit heilen, aber immer, immer ist es seine Gegenwart, die Heilung bringt, nicht immer die physische, aber immer unsere geistliche. Unser Herz. Wenn das nicht geöffnet ist, bringen und 1000 sehende Augen nichts.

Was hat nun dieser blinde Bettler mit mir als Mama zu tun? Mit dir als Mama? Werdende Mama, traurige Mama, gerne sein wollende Mama, verzweifelte Mama, erschöpfte Mama?

Dass wir es doch verstehen, dass wir alle dieser blinde und bettelnde Mensch sind.

Dass wir alle am Rand sitzen, oft übersehen und unverstanden. Dass wir tun was wir tun und es kaum wahrgenommen wird. Dass in uns aber diese sich aufbäumende Hoffnung ist, dieser unbändige Glaube, dieses Hingezogen werden zu Jesus, der genau weiß, wo du und ich heute stehen. Der dich und mich beim Namen nennt. Der dich und mich heute und immer zu sich ruft.

Guten Mutes dürfen wir immer wieder aufstehen, dürfen hinter uns lassen, was uns beschwert und dürfen zu Jesus kommen. Er ruft dich in seine Gegenwart. Spring auf und lauf zu ihm! Lass los die Ketten der Unzufriedenheit, des Bedauerns, des Verzweifeln, des Unglaubens.

Komme in seine Gegenwart. Und bitte ihn immer wieder: Dass ich sehend werde. Dass ich sehe, wie du siehst. Mich selbst, dein geliebtes Kind. Meinen Ehemann. Meine Kinder. Mein Leben. Meine Arbeit. Meinen Dienst.

An diesem Dienstag nach Muttertag, inmitten von dem ganz normalen Leben, da ruft dich Jesus. Sei guten Mutes. Steh auf und geh zu ihm!

Die Geschichte von der Heilung des blinden Bartimäus steht in Markus 10,46-52