Wenn du in unserem Haus nach ganz oben gehst, gelangst du in das Arbeitszimmer meines Mannes. Es ist mit der schönste Raum im ganzen Haus, wie ich finde. Vor allem wegen des echten Perserteppichs (ein Geschenk ;), der freigelegten Holzbalken und natürlich der großen Bücherwand.
Als wir alle Bücher aus den Bananenkisten holten und uns die Mühe machten, sie nach Autor alphabetisch einzusortieren, da hab ich nicht schlecht gestaunt, wieviele Schätze wir da haben und wie toll es wäre, sie alle zu lesen. Die meisten von ihnen sind theologischer Natur und wow, wieviel Weisheit und Erkenntnis könnte ich wohl aus ihnen ziehen. Wieviel Veränderung (die ich bitter nötig habe) könnte ich durch sie erleben?
Dennoch frage ich mich immer wieder: Wie geschieht Veränderung eigentlich? Geschieht sie automatisch, wenn ich gute Bücher lese? Oder wenn ich die Bibel lese? Oder wenn ich verschiedene Seminare besuche? Tolle Predigten höre und noch bessere Konferenzen besuche? Was bewirkt in mir wirklich Veränderung? Was oder wer hat es in meinem Leben geschafft, mich so zu berühren, so zu überzeugen, so zu packen, dass es einen bleibenden Einfluss und Eindruck auf mein Leben und damit auf die Weise, wie ich mein Leben führe, hatte?
John Piper sagte mal so eindrücklich, dass es nicht Bücher sind, die das Potenzial haben, uns zu verändern, sondern einzelne Sätze oder Passagen. Wenn ich ein Buch nun lese, dann versuche ich es mit der Frage zu lesen: Und was wird das jetzt in meinem Leben ändern? In meinem Leben, damit meine ich v.a. in meinen Gedanken, in der Art, wie ich denke, in meinen Gewohnheiten (denn daraus besteht unser Leben ja im Hauptsächlichen), in meiner Ausrichtung, in meinen Taten. Ich finde, jedes gute (geistliche) Buch muss sich daran messen lassen: hat es etwas in mir bleibend in Bewegung gebracht. Wenn es das nicht tat, heißt es natürlich nicht, dass es kein gutes Buch ist, aber es heißt, dass ich es wohl nicht aufmerksam genug gelesen habe oder vielleicht nicht mit der Haltung: dieses Buch will mir direkt etwas sagen.
Doch zuletzt habe ich ein Buch gelesen, welches ich herausragend finde und genau das in mir bewirkt hat. Mein Mann drückte es mir in die Hände, als ich noch etwas für meinen Kuraufenthalt suchte. Ein kleines Buch, von der Aufmachung nicht unbedingt meins, aber das ist ja nebensächlich, eigentlich...
Das Buch heißt: Tiefer - Wie Christen echte Veränderung erleben und stammt von Dane C. Ortlund und ist dem tollen neuen Verlag Verbum Medien erschienen. (Kleine Schleichwerbung: schaut euch mal auf der Seite um, da gibt es tolle Bücher, v.a. auch für Kinder)
Ich tue mir mit theologischen Büchern, die kompliziert geschrieben sind, ehrlich gesagt etwas schwer (und bewundere dabei meinen Mann, der sich durch komplizierte englische Bücher hindurch liest). Doch dieses Buch ist sowohl theologisch tief und gleichzeitig doch sehr gut zu verstehen. Ich würde sagen, dass es jeder Christ (und jeder der das Christentum verstehen will) lesen kann und wie ich finde, auch sollte. Im Folgenden erzähle ich dir kurz, warum:
- kurz und prägnant
Das Buch ist ziemlich übersichtlich, was die Anzahl der Seiten anbelangt. Ein Kapitel ist kurz mit einem Wort überschrieben und kann gut in einer Stunde (oder weniger, je nach Lesegeschwindigkeit) gelesen werden. Insgesamt sind es 9 Kapitel und ein überragendes Fazit am Ende. Ich habe mir jeden Tag ein Kapitel vorgenommen, es zu lesen, es zu kauen und zu verdauen. Fast in jedem Kapitel schreibt der Autor, um was es ihm in diesem Kapitel geht. Das finde ich hilfreich und hält einen auf der Spur.
2. anschaulich und einprägsam
Ich habe bisher selten ein Buch gelesen, in dem ich so viele einprägsame Vergleiche und Beispiele geistlicher Wahrheiten gefunden habe. Es waren Veranschaulichungen, die mir sofort auch in Gesprächen mit anderen geholfen haben, um Dinge zu erklären oder zu verdeutlichen. Ein Beispiel gefällig?
Es geht um die wahre Heiligung, die ein Prozess von innen nach außen sein sollte. An der Frucht erkennt man den Baum. Und dann dieses Beispiel, zitiert aus einem Werk von Edward Fisher:
" äußeres Befolgen von Regeln ohne innere Realität als ihren Ursprung ist, als würde man sämtliche Teile eines Baumes gießen außer seinen Wurzeln und dann erwarten, dass er wächst."
Einprägsam, oder?
3. reich und weit
Toll finde ich auch, dass der Autor eine Vielzahl von anderen Autoren zu Wort kommen lässt (dabei lässt sich eine Vorliebe zu C.S. Lewis kaum übersehen, was ich auch gut finde. ;) Alles, was in dem Buch steht, ist nicht wirklich was neues für mich. Alles habe ich in dieser oder abgewandelter Form schon mal gelesen oder gehört. Aber hier werden die zentralen Punkte eines Lebens als Christ wie zu einem wunderschönen Blumenstrauß zusammengebunden. Ich kenne die einzelnen Blumen, aber in diesem Zusammenspiel, in diesem Arrangement mit so viel Reichtum an Schönheit (wenn es um theologische Aussagen geht, die voller Leben pulsieren), diesen Blumenstrauß an weit zurückgehenden Aussagen wertgeschätzter Geschwister, die den Weg vor uns gegangen sind - diesen Strauß "anzusehen" ist ein Genuss für die Seele und den Geist.
Auch habe ich in keinem anderen Buch bisher so gut beschrieben gefunden, was das Evangelium mit unserer Heiligung zu tun hat. Hört mal:
"Wir müssen begreifen, dass das Evangelium nicht nur die Eingangstür zum christlichen Leben ist, sondern auch das Wohnzimmer des christlichen Lebens. Die Rechtfertigung ist nicht nur der Anlasser, der das christliche Leben in Gang bringt, sondern der Motor, der es die ganze Strecke über antreibt."
Wie anders würde in unseren Gemeinden gepredigt und gelebt werden, würden wir Christen das doch mehr begreifen.
4. zentriert und einfach
Zu Anfang habe ich geschrieben, dass es mir bei dem Lesen geistlicher Bücher wichtig ist, wenigstens etwas (und wenn es noch so klein ist) daraus zu ziehen, was mein Leben oder Denken in irgendeiner Weise verändert, bereichert oder vertieft. Etwas, was ich praktisch werden lassen kann, oder eben etwas, was mich ganz neu begreifen lässt, was ich dachte begriffen zu haben.
Dieses Buch hat es geschafft. Nicht nur an einer Stelle, sondern an mehreren. Nehmen wir z.B. das Kapitel "Geliebt". Wie ich dieses Wort liebe. (Baue ich übrigends auch gerne in meine Passwörter ein ;) Es geht um die Liebe Gottes. Ein sehr zentrales, "einfaches" Thema. Jedes Kind lernt doch im Kindergottdienst: Ja, Gott hat alle Kinder lieb... - Leider ist diese Aussage oft schon in unseren Köpfen abgedroschen, löst kein Staunen mehr aus. Doch lies das:
"Was ich dir in diesem Kapitel nahebringen möchte, ist: Die Liebe Gottes ist nicht etwas, das man einmal erkennt und glaubt, um sich dann anderen Wahrheiten oder Strategien für das Wachstum in Christus zuzuwenden. Die Liebe Gottes ist es, wovon wir unser ganzes Leben lang zehren, während wir immer tiefer in diesen endlosen Ozean hineinwaten. Genau dieses Zehren und Waten bewirkt Wachstum. Wir können in Christus nicht in höherem Maß wachsen als wir seine Umarmung genießen, seine liebevolle, mächtige, unwiderrufliche Umarmung, die uns in sein göttliches Herz hineinzieht."
Ich bin begeistert über diese Einfachheit und Zentralität der Aussage und gleichzeitig über diese wunderschönen Bilder und neuen Sichtweisen auf eben diese.
Am Ende, jenem schon erwähnten überragenden Fazit, schreibt er, wohl in Sorge, man könnte vielleicht alles schon wieder vergessen haben:
"Mein Ziel mit diesem Buch war einfach, dir diesen einen, schlichten, alles bestimmenden Impuls des Herzens nahezubringen: Auf Jesus sehen."
So einfach, so zentral und so wunderbar!
5. tief und ermutigend
Ich mag keine Bücher, bei denen ich merke, dass mir jemand Honig um den Mund schmieren will. Mich oder Situationen so darzustellen, als wäre alles nicht so schlimm oder als ob es für alles einen einfachen Weg raus gäbe. Ich mag ehrliche Bücher. Ich mag z.B. Erziehungsbücher, die ich lese und merke: genau das ist meine Situation. Das Buch "Tiefer" ist wirklich tief. Es ist in einer Weise einfach, aber einfach in einer tiefen Art und Weise. Es ist ein Buch voller Wahrheit und Weisheit so, dass die einfachen Menschen es verstehen können. Es ist wie ein Buch, das als Basis dient, um die grundlegenden geistlichen Realitäten immer wieder wach zu rufen und sich daran zu erinnern.
Da es sich auf Gottes rettendes Handeln und seine Gnade in allem Wachsen und Straucheln aufbaut, ist es ein zutiefst ermutigendes und hoffnungsvolles Buch. Kein "du musst" und "du sollst". Es ist ein immer währendes Schauen und Aufschauen zu Jesus, während wir in unserer Nachfolge stolpern und fallen, wiederaufstehen und weitergehen unserem großen Ziel entgegen.
Zusammenfassung
Ich finde, der Autor selbst fasst sein Buch im Fazit wunderbar zusammen. Dieser Abschnitt allein ist es wert, das Buch zu kaufen :)
"Die neun Kapitel dieses Buches sind keine aufeinanderfolgenden Schritte zum Wachstum; es handelt sich lediglich um unterschiedliche Facetten des einen Wachstums-Diamanten. Wenn wir wachsen wollen, müssen wir erkennen, wer der wahre Jesus ist (Kapitel 1) und für den Rest unseres Lebens immer wieder in seine Arme zusammenbrechen (Kapitel 2 - herrliches, erstaunliches Kapitel). Wir tun das als solche, die mit ihm vereint sind (Kapitel 3), die seine unverdiente Liebe genießen (Kapitel 4) und den vollen, rechtlichen Freispruch erhielten, der auf seinem vollbrachten Werk beruht (Kapitel 5). Dadurch wurden wir befreit, um im Licht zu wandeln (Kapitel 6) und die Nöte dieses Lebens als Gottes sanfte Hand anzunehmen, die uns nicht straft, sondern hilft (Kapitel 7). Wir betrachten die Liebe Christi, indem wir die Bibel einatmen, bringen ihm unsere Liebe, indem wir im Gebet ausatmen (Kapitel 8 - tolles Bild, wie ich finde), und erfahren die Liebe des Himmels durch den in uns wohnenden Geist (Kapitel 9).
In diesem Buch geht es nur um ein Thema: Staune über das gütige Herz Christi, das er einst durch sein Versöhnungswerk bewiesen hat und noch immer durch seine unaufhörliche Fürsprache beweist. Empfange seine unaussprechliche Liebe zu Sündern und Leidenden. Höre auf, dich dagegen zu wehren. Lass ihn dir nahekommen. Richte deinen Blick auf ihn."
Mir bleibt hier nur noch zu sagen: Bitte, nimm und lies!