Heute war ich auf der Beerdigung einer alten, lieben, treuen Freundin von mir. Sie hat das stolze Alter von 90 Jahren erreicht. Ein volles Leben lag hinter ihr und bis zuletzt war sie völlig klar im Kopf. Was für ein Geschenk. Eine Woche vor ihrem Tod hatte ich den inneren Drang, sie noch zu besuchen. Wir hatten nicht lange Zeit miteinander, aber es war sehr intensiv. Wir beteten gemeinsam. Ich bat Gott, dass sie sich auf seine Verheißungen stützen kann in dieser letzten Phase ihres Lebens und sie brach mir ins Wort und zitierte aus Römer 8: Nichts und niemand kann uns trennen von Gottes Liebe. - Das kam so aus ihrem Herzen und hat mich sehr berührt. Ich las ihr noch meine Freude auf den Himmel vor, Jesaja 25 - das Festmahl, das auf uns wartet. Sie lächelte. Ich hatte vor einiger Zeit ein Apuarell gemalt mit dem Vers aus Sprüche 31: "...und sie lacht des kommenden Tages." Das stellte ich ihr auf ihren Schreibtisch.

Die Beerdigung einer Freundin

Ihr Tag kam schneller als ich gedacht hatte. Der Tag, an dem sie nicht nur schwach lächelt, sondern mit ihrem ganzen Wesen lachen kann, strahlen kann vor Freude, wenn sie ihrem Herrn gegenüber steht. Der Tag, an dem sie an der besten Festtafel sitzt. Als ich sie zum Abendessen des Altenheims mit dem Rollstuhl fuhr, da war sie besorgt, noch etwas von der Suppe abzubekommen - was hat sie jetzt wohl vor sich! Es war mir nicht bewusst, dass meine Küsse auf ihre Wangen meine letzten sein sollten.

Der Sarg wurde herabgelassen. Ich streute ein paar Rosenblätter darüber. Der Blick ins Grab macht mich doch auch immer wieder traurig. Diese Endlichkeit. Dieser Stachel des Todes. Diese Traurigkeit, einen sehr lieben Menschen erstmal nicht wieder zu sehen. Ihre Stimme nicht freudig am Telefon zu hören. Ihre Gebete, ihre Liebe, ihr Dasein für mich. Das war besonders. Und das ist Vergangenheit. Aber ein Schatz in meinem Herzen. Für immer.

Und meine eigene Beerdigung?

Zur Zeit lese ich das Buch von Thomas Härry  Von der Kunst, sich selbst zu führen. In einem der ersten Kapitel geht es um das Thema "Selbstklärung". Neben der wichtigsten Frage: Wer bin ich? Was ist meine Identiät? Sind die beiden anderen Fragen: Was hat Gott mir für Fähigkeiten und Gaben gegeben und was möchte ich damit erreichen? Was ist mein Ziel?

Um diese letzte Frage beantworten zu können, ist es gut, vom Ende her zu denken. Von meiner eigenen Beerdigung. Wäre ich heute beerdigt worden, was wünschte ich, würden die Menschen sagen, wer ich war und was ich hinterlassen habe:

Wie sollen meine Kinder, meine Frau, meine Freunde und Gefährten auf mein Leben zurückblicken? Was sollen sie über mich sagen: wer ich für sie war, wie ich war, was mir wichtig war? ... So feilte ich während mehrerer Wochen an zwei Leitsätzen, die Folgendes ausdrücken sollten:
Erstens: Was für eine Person möchte ich am Ende meines Lebens sein? Welche Charakterzüge und Eigenschaften soll man wahrnehmen, wenn man mit mir zu tun hat?
Zweitens: Für welche Aufgabe und Anliegen möchte ich mich am Ende meines Lebens eingesetzt haben? Welchen Beitrag will ihc dort geben, wo ich mich aktiv einbringe - in Familie, Beruf, Gemeinde etc.? (S.96f)

Ich finde es sehr hilfreich, mir diese Gedanken zu machen. Ich sehe auch die Dringlichkeit darin. Das Leben hat so vielfältige Möglicheiten, doch was will ich wirklich? Wie will ich leben, was will ich hinterlassen? Wo stelle ich mich ganz bewusst gegen die Strömung unserer Gesellschaft: immer mehr, immer besser - Leistung, keine Zeit mehr haben, Konsum, Arbeit ohne Ende....

Ich möchte mir diese Fragen in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder vor Augen malen und ich wünsche mir, dass sich in mir bald ein klares Bild von dem formt, was ich mit meinem Leben möchte und wie es anderen in Erinnerung bleiben soll.

Ist es für dich auch dran, dir diese Fragen mal ganz nüchtern zu stellen und dann vielleicht auch einige Weichen deines Lebens anders oder ganz neu zu setzen?