Der letzte Tag im Jahr ist angebrochen. Irgendwie fühlt er sich heilig an. Und irgendwie ist er auch so normal. Man muss aufstehen und das Frühstück machen, duschen und das Bett machen, streitende Kinder aushalten und staubsaugen. Und doch ist es ein besonderer Tag. Der Wind weht laut und stürmt an mir vorbei mit Wucht, so wie dieses ganze Jahr, so wie jeder einzelne Tag dieses Jahres.

Jetzt sitze ich hier und halte kurz inne. Die letzte Woche war sehr voll mit Besuchen von lieben Menschen. Die Familie, die uns über Silvester besuchen wollte hat einer Krankheit wegen abgesagt. Nun wird es ruhiger als erwartet. Und vielleicht ist das gerade auch gut so.

Ich bin ein Mensch, der sehr gerne für sich alleine ist und in sich geht. Ich habe das schon früh in meinem Leben gelernt, als äußere Stürme mich in die Sicherheit meines Herzens trieben, in dem Jesus da war. Und es treibt mich auch jetzt dahin, ruhig zu werden. Alles mal auszublenden und auf dieses lange Jahr zurück zu schauen. Mein Tagebuch hat vieles festgehalten an Stimmungen, an Hoch und Tiefzeiten, an Gottesbegegnungen und Momenten wunderschöner Menschlichkeit.

Der Blick zurück

Mein Kalender erzählt mir von all den Besuchen und Reisen, den Terminen und den Highlights. Sie stehen da, schwarz auf weiß und ich finde es nur fair, sie nicht einfach ins Regal zu stellen und verstauben zu lassen, sondern sie noch einmal an mein Herz zu nehmen und wertzuschätzen. Ich bin davon überzeugt, dass dass Leben so viel reicher wird und ist, wenn wir mehr wertschätzen, was war, das Gute und das Schlechte (welches Gott ja nur allzu oft in Gutes verwandelt - manchmal ungesehen, wenn wir nicht genau hinsehen...). Im genauer Hinsehen und Festhalten, im sich Bewusst werden was war und vor allem auch, wie Gott hindurchgetragen hat bis zu diesem Tag, bis zu diesem Moment, wie er damals scheinbar unüberwindbares möglich gemacht hat, wie Konflikte gelöst und Spannungen sich entspannen durften, wie Er an mir und in mir gearbeitet hat und ich jetzt als ein veränderter Mensch aus diesem Jahr hervorgehen darf - all das sind doch die wahren Schätze und Geschenke, die mein Herz glücklich und hoffnungsvoll machen dürfen.

So schaue ich auf 12 ausgefüllte Monate zurück. Ein besonders schönes Highlight war für mich der Start dieses Blogs. Die Gedanken im Vorfeld, eine Vision, wie ich mit dem, was Gott mir gegeben hat, andere ermutigen kann, in der Nachfolge Jesu fester zu treten und ihm zu begegnen. Denn das ist auch das, was in meinem Leben immer mehr zum Vorschein treten soll. Die Frage, wie ich hier in Deutschland mit meiner Familie, an dem Ort, an den Gott mich gestellt hat, für Ihn Licht sein kann. Wie ich anders Leben kann. Wie mein Leben einen Unterschied machen kann für ganz unterschiedliche Menschen. Zu sehen, was wirklich wichtig ist für mich. Was Gott tun möchte, wo er schon handelt, wo er mich gebrauchen möchte. Zu erleben, wie das wirklich wichtige und gute und schöne mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist - nämlich die Liebe und Freude und Hoffnung - geschenkt von Gott und in kleinen sichtbaren Momenten in mein Leben gegeben oft durch die Begegnungen mit Menschen. Ja, Begegnungen machen das Leben reich und zu einem wahren Leben.

Der Blick nach vorne - und nach innen

Und ich schaue voraus. Nicht mit großen Visionen und Plänen. Nicht mit vielen Vorsätzen und Selbstoptimierung (vor einigen Jahren schauten wir doch tatsächlich einen Kurs mit dem Titel "your best year ever" ...). In einem Buch, das ich zu Weihnachten bekommen habe (nichts besseres als gute Bücher! ;) stand am Anfang, dass man sich von Gott ein Wort geben lassen kann, welches man über das neue Jahr stellen möchte. Das fand ich eine schöne Idee und ich betete darum. Auch schon das letzte Jahr begleitete mich ein Gedanke und ein Gebet immer wieder: Ich will lernen, zu sehen!

Mein erster Artikel hier handelte darüber. Sehen. Das passt auch gut zu der Jahreslosung für das Jahr 2023:

"Du bist ein Gott, der mich sieht." (1.Mose 16,13)

Als ich vor ein paar Tagen im Schwimmbad war mit meiner Familie, da schwamm ich im großen Becken und schaute auf die sanften Wellenbewegungen des Wassers und sah tausend Augen. Ich fand es ein schönes Bild für das eingehüllt sein in Gottes liebevollen Blick, so, wie das Wasser mich umgab.

Nichts ist wohl so wichtig und schön zu wissen, wie: Gott sieht mich. Er sieht nach mir. Er kümmert sich um mich. Denn das bedeutet dieses Wort. Hagar, die diesen Satz gesagt hat, war in der Wüste und Gott versorgte sie so, dass sie weiterleben konnte, nicht nur physich, sondern vor allem in ihrem Herzen - neue Perspketive, neuer Zuspruch, neue Verheißung. Das gleiche darf ich und darfst du auch erleben.  Heute und an jedem neuen Tag im Jahr!

Doch sehen bedeutet noch mehr. ICH möchte sehen lernen. Ich möchte meine Augen trainieren zu sehen.

Nicht das Vordergründige, sondern das Dahinterliegende. Nicht die Maske, sondern das Gesicht dahinter. Ich möchte mir Gottes Blick schenken lassen für alle Menschen um mich, die ihn brauchen. Ich möchte mit meinem Herzen sehen lernen. So wie es schon Antoine de Saint Exupery ausdrückte - diesen Satz, der immer am Kühlschrank in meinem Elternhaus hing und den ich wunderschön fand, aber nie richtig verstand:

"Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."

Ich will das Wesentliche sehen. Und ich glaube, das kann uns nur von Jesus geschenkt werden. Er sah immer das Wesentliche. Er sah seinen Vater vor sich, so klar, dass er immer seinen Willen tun konnte. Er sah seinen nächsten vor sich, so dass er jedem so dienen konnte, wie der Betreffende es brauchte. Er sah seine Aufgabe vor sich, so dass er treu seinen Weg ging bis ans Kreuz. Denn dafür war er gekommen. Jesus sah mit seinen Augen und vor allem mit seinem göttlichen Herzen. Und welche Schönheit ist darin verborgen. In seinem Blick!

Und vielleicht ist es diese kurze Geschichte, die an der Mauer von Jericho spielt, ein Bettler, der weiß, er braucht wie nichts anderes Jesu Hilfe. Er schreit und lässt sich von nichts uns niemanden abbringen. Bis das Wort an ihn gerichtet wird:

"Sei guten Mutes! Steh auf, er ruft dich!" (Markus 10,49)

Und er läuft, schnell zu Jesus, der ihn gerufen hat. Ihn, den armen Bettler. Und Jesus ihn sieht und sieht, was er braucht und dennoch fragt:

"Was willst du, dass ich dir tun soll?"

Und der Bettler? Der Blinde? Und ich? Und du? Anworten wir gemeinsam:

"Rabbuni, dass ich sehend werde."

Der Blinde wird sofort geheilt. Sein Glaube hat ihn geheilt.

"Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm auf dem Weg nach."

SEHEN - das möchte ich.

Der Blick auf Jesus

Wie geht es dir am Ende des Jahres, auf der Schwelle zu einem neuen Jahr? Nimm dieses alte Jahr nochmal an dein Herz und halte es fest. All das Gute und all das Schwere. Die Erfolge und Niederlagen, das, was sich erfüllt hat und das, was noch immer auf Erfüllung wartet. Nimm das Unerklärliche an dein Herz und lass es los. Lass alles los, vielleicht mit Tränen und mit Dankbarkeit. Öffne deine Augen und schau auf Jesus! Er, der dich anschaut sieht nach dir!

Und vielleicht möchtest du dir auch ein Wort für das neue Jahr schenken lassen, das für dich an Bedeutung gewinnen soll.