Nach vier Wochen in Albanien sind wir zurück in Deutschland. Ich schaue auf eine sehr gefüllte und sehr gesegnete Zeit zurück. Soviel Grund, zum dankbar sein und soviel Grund zur Freude. Gott hat uns reich beschenkt mit vielen guten Begegnungen mit alten Freunden und unserer albanischen Familie. Wir haben das neue Team im Ort etwas besser kennengelernt und haben viel Liebe und Wertschätzung erlebt.

Vor allem unsere albanischen Großeltern, bei denen wir in den zwei Wochen gelebt haben, sind ein ganz besonderes Geschenk. Obwohl unsere beiden Jüngsten die Sprache nicht mehr können (ganz im Gegensatz zu den beiden großen, die direkt wieder im besten Has- Dialekt loslegten), war die Vertrautheit zu den beiden Alten so tief, dass keine verbale Kommunikation nötig war. Sie sprachen die Sprache des Herzens. Das Herz braucht keine Worte, um sich auszudrücken. Es genügen Blicke und Umarmungen und Lachen und Spielen. Die Freude aller zu sehen, berührte mein Herz zutiefst. Und wieder einmal dachte ich, was für ein wertvolles Geschenk diese Beziehungen sind. Sie prägen für ein Leben.

Die Zeit festhalten

Nach der intensiven und schönen Zeit, wovon wir die zweite Hälfte am schönen albanischen Meer verbrachten, hieß es wieder: zurück in die alte neue Heimat! Ich ertappte mich manchmal dabei, dass ich die Zeit festhalten wollte. Bleib doch einfach mal stehen!
Als ich zum Beispiel unter unserem Maulbeerbaum saß und die Blätter und Vögel im Tanz der untergehenden Sonne beobachtete, oder als ich mit allen auf der Decke im Garten den nachmittäglichen türkischen Kaffee und Wassermelone genoss. Oder als ich früh morgens im Meer schwamm, die Oberfläche wie ein Spiegel, die Pastellfarben des Horizonts wie ein Gemälde. Oder als ich zu meinem neuen Lieblingslied am Strand einfach lostanzte, zwischen den Spaziergängern hindurch. Nur ich hörte das Lied und ich tanzte für meinen Schöpfer, der den Sonnenuntergang nur für mich malte.

Aber Zeit lässt sich nicht aufhalten. Das weiß ich leider auch. Jeder Versuch scheiterte und tatsächlich gingen lange vier Wochen viel zu schnell zu Ende. Albanien war unser Zuhause für 8 Jahre und irgendwie ist es immer noch so. Alles ist vertraut, wir lieben die Menschen, die Sprache, die Einfachheit und das Unperfekte, die Kinderfreundlichkeit und das frische Gemüse. V.a. die Wassermelonen!  Irgendwie gehört das alles noch sehr zu uns, zu mir. Und ja, etwas in mir fiel es sehr schwer, Abschied zu nehmen. Wieder loszulassen. Zurückzulassen. Wieder Ja zu sagen zu meinem neuen Platz in Deutschland.

Die neue Zeit annehmen

Vor allem war ich gespannt auf unseren Garten zuhause. Ein paar Dinge hatten wir gepflanzt und unsere tollen neuen Nachbarn haben sich mit viel Liebe um alles gekümmert. Ich war gespannt auf meine gepflanzten Blumen, auf die Tomaten und die Gurken, den Kohlrabi und Brokkoli (hab noch nie gesehen, wie Brokkoli wächst...).

An meine Zucchini und meinen Kürbis hatte ich dabei gar nicht mehr gedacht. Wir hatten sie in dem Gewächshäuschen gepflanzt, doch ich wusste, dass sie mehr Platz brauchen werden. So fasste ich mir eines Tages ein Herz und versuchte so vorsichtig wie möglich, sie mit allen kleinen feinen Wurzeln nach draußen zu verfrachten und ihnen mehr Platz zu schenken.
Das tat ich. Und ich wartete den nächsten Tag ab. Ich war ziemlich traurig, als ich sie sah. Völlig eingegangen erschienen sie, ohne Kraft und Saft. Die Blätter welk und hängend. Hatte ich sie durch meinen Versuch, ihnen mehr Raum zu geben, zerstört? Ich wusste es nicht. Aber ich goss weiter. Und langsam schienen sie sich zu erholen. Sehr faszinierend.

Dennoch hätte ich nie gedacht, dass sie sich wirklich machen werden.
Als ich nun vor zwei Tagen hier ankam und sie sah, war ich so erstaunt. Sie standen groß und kräftig, ja, fast mächtig da und die Kürbispflanze treibt viele Blüten mit der Verheißung von Frucht. Die Zucchini hingegen hatte schon eine rießige Frucht hervorgebracht. So eine große Zucchini! An solche erinnere ich mich von meiner Kinderheit. Damals war ich mit meinem Bruder mit einem Bollerwagen durch die Kleinstadt getrottet und hatte versucht, die großen Dinger zu etwas Taschengeld zu machen.

Gottes Wirken erkennen

Nun, über unsere im Garten freute ich mich sehr. Die gebe ich nicht her! Vielleicht, weil ich ihre Geschichte kenne. Den kritischen Einschnitt, als ich sie umgepflanzt hatte. Der Zweifel, ob da überhaupt noch was draus wird. Und sie erzählt mir noch eine andere Geschichte. Die Geschichte von Gottes Wirken, während er uns umpfanzt. Es ist oft schmerzhaft, sei es eine wirklich physische Umpflanzung (wie bei uns im letzten Jahr - und wie bei meinen Pflanzen) oder auch eine emotionale (z.B. der Verlust eines geliebten Menschen). Es braucht Zeit. Vielleicht scheint vieles zu sterben. Auch ich hatte diese Tage seit unserer Rückkehr. Kein Antrieb zum Wachsen, keine Kraft, keine Motivation. Aber es geht weiter. Das Leben ist da. Und der Drang zu wachsen ist unaufhaltsam.

Mich ermutigt es immer wieder, wenn ich an die Planzen denke und ich schaue sie mir immer wieder staunend an. Sie sagen mir, dass es möglich ist, wieder voll und ganz - und sogar noch mehr- zur Blüte zu kommen und Frucht zu tragen. Auch und vielleicht gerade nach einer schmerzhaften Umpflanzung. Ich will sie immer wieder mit ganzem Herzen annehmen und meine Wurzeln immer mehr - nicht in diesen Ort - sondern in Jesus ausstrecken. Er ist mit mir und er will mich da gebrauchen, wo er mich hingestellt hat. Zuletzt Albanien, und jetzt hier.