Es ist noch früh am morgen. Ich höre draußen ein Geräusch, wie von einer Müllabfuhr. Doch nicht heute... Heute ist es der Sperrmüll. Ich habe gestern beobachtet, wie aus dem Haus gegenüber eine ganze Wohnung ausgeräumt wurde und an die Straße platziert wurde. Sofa, Schränke, Tische und Stühle, Lattenrost und vieles mehr. Da stand das große grüne Auto und sein Maul zerbrach die Sachen und ließ sie in seinem Inneren verschwinden.

Ich kannte die Frau, der diese Dinge gehörten.

Ich begegnete ihr mehrmals. Manchmal an ihrer Tür. Wenn ich klingelte, dauerte es, bis sie mit ihrem Rollstuhl kam und die Tür vorsichtig einen Spalt öffnete. Zigarettengeruch kam mir entgegen. Und eine freundlich aussehende Dame, die mir versicherte, dass es ihr gut ginge. Anderen geht es ja noch viel schlechter.

Frau Müller, der wohl typischste deutsche Name, lebte mir gegenüber.

Dann kam der Tag, an dem Polizei und später auch ein Leichenwagen vor dem Haus stand. Später erfuhr ich, dass es Frau Müller war, die tot in ihrer Wohnung gefunden wurde. Tags zuvor war sie gestürzt, wollte aber partout nicht ins Krankenhaus. In der Nacht war es dann zu Ende mit ihrem Leben.

Eine Nachbarin im Haus, die sich sehr um sie gekümmert hatte, erzählte mir, wie einsam diese Frau war. Wie sie kaum noch raus ging. Wie sie keine Familie hatte, niemanden. Wie ihr Lebensgefährte schon vor Jahren verstorben war. Sie meinte, sie sei aus Kummer und Depression gestorben. Sie wollte nicht mehr. Sie war dem Leben müde geworden. Mit Mitte 60.

Die Beerdigung war klein. Immerhin 18 Personen. Danach gab es wohl eine Beisetzung, zu der nur der Bestatter und eine weitere offizielle Person kam. Alles, was von diesem Mann, der beerdigt wurde, bekannt war, war sein Name, sein Geburtstag und der Tag, an dem er einsam starb.

Bei Frau Müller waren immerhin 18. In meinen Augen eine kleine Zahl.

Da war keiner aus der Familie der Frau Müllers Wohnung ausräumen und Dinge liebevoll in die Hände nehmen konnte, weil einfach keiner da war. Zuletzt jetzt wurde die Wohnung vom Vermieter geräumt, um Platz für Neue zu schaffen.

Der Lastwagen mit dem "Sperrmüll" (so schrecklich, was in Deutschland alles so genannt wird) ist weggefahren. Es ist wieder still in der Straße, die übliche 7 Uhr Stille. Ein Leben, eine Existenz, weggefahren, zerkleinert, vergessen.

Ich weiß nicht, warum es mich so berührt. Diese Geschichte, dieser Anblick. Die Erinnerung an die Frau im Rollstuhl, die so einsam gewesen sein musste. Was bleibt von ihrem Leben übrig? Was bleibt bei so vielen Menschen am Ende übrig, die still und ungesehen diese Erde verlassen?

Ich habe die Befürchtung, dass unser Land voll ist von Frau und Herr Müllers. Menschen, die einsam leben und einsam sterben. Die keine Familie haben oder zerstritten sind mit ihrer Familie. Menschen, die gehen, und keiner merkt es.

Klar kommt in mir die Frage hoch: Was kann ich dagegen tun? Wo kann ich die Einsamkeit von Menschen lindern? Wo möchte Gott mich gebrauchen, um im Leben von Menschen, gerade in meinem nächsten Umfeld, einen Unterschied zu machen.

Und natürlich die Frage: Was bleibt von meinem Leben übrig, wenn ich gehe? Wen hinterlasse ich und viel wichtiger, welche Spuren hinterlasse ich?

"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." (Albert Schweitzer)

Wenn ich heute in diesen Tag gehe - Welche Spuren hinterlasse ich?

Dieser Tag heute ist mir und dir von Gott gegeben, um Spuren der Liebe zu hinterlassen. Keine großen, vielleicht auch welche, die den Augen anderer verborgen bleiben. Aber Liebe in noch so kleinen Dingen wird zu etwas sehr großem in den Augen Gottes.

Frau Müller ist tot. Doch es leben noch so viele andere, so wie sie. Vielleicht zeigt Gott dir und mir heute eine Frau Müller, die uns braucht?

Was bleibt übrig, wenn ich gehe? Ich hoffe, vor allem Spuren der Liebe.