Schon seit ich noch ein junges Mädchen war, vielleicht 12 Jahre alt, war ich begeistert von Mutter Teresa. Ich verschlang Bücher über sie, hielt Referate über ihr Leben in der Schule, hatte ihr Gebetsbuch und ließ mich von ihren Gebeten inspirieren für mein eigenes Gebetsleben. Wenn ich mit der Schule fertig sein würde, wollte ich auf jeden Fall mal ein Jahr zu den Schwestern der Nächstenliebe nach Kalkutta. Ich sah mich schon mit abgemagerten und dreckigen Kindern im Arm und sehnte mich danach, diesen vergessenen Menschen Jesu Liebe zu bringen. Als Mutter Teresa dann 1997 starb (wir waren gerade in Spanien auf einer Familienfreizeit), war ich auch sehr bewegt und befasste mich weiterhin sehr mit ihr.

Wusstest du, dass Mutter Teresa eine Albanerin war? Sie wird hier in Albanien als Nationalheldin verehrt, es gibt einen extra Feiertag für sie und hier und da sieht man Statuen von ihr. Sie ist eine Heldin für dieses Land und für die ganze Welt.

Doch hier will ich nicht über sie schreiben. Schon lange liegt es mir auf dem Herzen, über andere Heldinnen zu schreiben. Frauen, die im verborgenen leben, alleine kämpfen und leiden. Frauen, die mir in vielerlei Hinsicht ein Vorbild sind.

Je länger ich hier lebe und je mehr Schicksale von Frauen ich mitbekomme, je mehr Frauen mir gegenüber sitzen und mir ihre Geschichte erzählen, desto mehr wächst in mir die Ehrfurcht vor diesen Heldinnen. Nach außen sehen sie nicht so aus. Vielleicht erscheinen sie auf den ersten Blick auch als schwach und gleichgültig, nicht ehrgeizig genug, sich in ihr Schicksal ergeben ohne zu kämpfen… So dachte ich manchmal. Doch je mehr ich mitbekomme, je mehr sich mein Herz mit ihrem verbindet, desto mehr sehe ich auch die Kraft und Stärke, die in ihnen liegt.

Manchmal sitze ich da und bin beschämt. Beschämt, wenn ich mitbekomme, wie schwer ihr Leben war und ist. Wenn ich darüber nachdenke, wie sie ihr ganzes Leben nur gedient haben und dienen. Wie sie es selbstlos und selbstverständlich tun. Wie sie sich hingeben für ihren Mann und vor allem für ihre Kinder. Wie schnell bin ich am klagen und wie schnell ärgere ich mich schon mal über dieses oder jenes Verhalten von meinem Mann oder meinen Kindern.

Hier sitze ich Frauen gegenüber, die viele Kinder geboren haben, oder die Scham der Kinderlosigkeit ertragen mussten. Frauen, deren Kinder gestorben sind, bevor sie drei Jahre alt waren, Frauen, deren Männer im Gefängnis sitzen, die trinken, sie schlagen, sie anschreien, ihnen untreu sind und selber aber ihre Frauen vor Eifersucht zuhause einsperren.

In so viele Augen habe ich geschaut, die sich mit Tränen gefüllt haben, zitternde Lippen, ein nach Fassung suchendes Herz, das aber manchmal einen Raum braucht, um all den Schmerz freizulassen, der viel zu, oft viel zu lang und viel zu fest verschlossen ist. Es ist eine Art, sich zu schützen, abzustumpfen und all das Elend zu ertragen.

„Ich will gar nicht mehr haben, reicher sein,  ich will nur ruhig leben.“

„Seit zwanzig Jahren leide ich unter diesem Mann. Ich lebe nur noch für meine Kinder. Dass sie ein besseres Leben haben…“

„Ich habe als Kind solche Armut erlebt, dass ich jetzt mit diesem kleinen bescheidenen Leben so zufrieden bin…“

„Ich könnte unsere miserablen Lebensumstände so viel besser ertragen, wenn mein Mann nur nicht immer betrunken nach Hause kommen und alles Geld ausgeben würde…“

Die Nöte sind vielschichtig. Aber ich bewundere diese Frauen, wie sie sich so oft doch so eine Fröhlichkeit bewahrt haben, ihre Gesichtszüge weich geblieben sind, sie sich immer wieder investieren in eine schier aussichtslose Beziehung, wie sie dienen, ganz selbstverständlich, sich zurücknehmen und für andere leben.

Manchmal kommt man als Ausländer an, sieht ungerechte Lebenssituationen, denkt, dass man sich doch das alles nicht gefallen lassen kann, dass man doch aufstehen muss, zur Polizei gehen, die Familie einschalten, und überhaupt: tu doch etwas dagegen!

Doch jetzt sitze ich oft da, spüre meine eigene Unfähigkeit wirklich zu helfen. Ich höre mir Geschichten ruhig an. Ich weine mit. Ich habe in meinem Herzen großen Respekt. Ich drücke diesen aus. Ich umarme und ich segne in Jesu Namen. Und ich biete ihnen die effektivste Hilfe überhaupt an: für sie zu beten. Ich sehe dann ein wenig mehr Hoffnung in diesen Augen, ich sehe eine große Dankbarkeit und Wärme in dem, wie sie meine Hand halten. Ich möchte so gerne diese Frauen direkt in Jesu Arme lieben und sie dort lassen.

Ich habe gegeben, was ich konnte, und bin doch beschenkt durch das Beispiel von Frauen, die innere Stärke und Würde leben inmitten von lebensfeindlichen Umständen. Sie sind meine Heldinnen. Hier mitten in meiner Mitte. Ich will sie ehren und lieben und von ihnen lernen.