Vor einigen Wochen hatte ich ein eindrückliches Erlebnis. Eigentlich eine Kleinigkeit. Eine Alltäglichkeit. Und doch hat sie mich sehr zum nachdenken gebracht.

Ich war in einer Apotheke in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Ein älterer Herr, der Chef der Apotheke, bediente mich. Wir kamen schnell über dies und das ins Gespräch. Dann schaute ich hinter ihn und sah den schönen Gang, an dem rechts und links die Apothekerschränke standen. Da hing ein großer roter Kronleuchter und eine knallrote Wand am Ende des Ganges war geschmückt mit einem schönen Ölbild in goldenem Rahmen. Wirklich sehr geschmackvoll. Würde ich nicht unbedingt in meinem Haus so machen, aber ich konnte nicht anders als zu sagen: "Wow, das sieht aber schön aus!"

Der Mann schaute mich gerührt an und sagte: "Danke. Sie sind die erste, die das sagt." Verblüfft fragte ich den Mann, ob das alles neu sei. "Nein", meinte er. Das hätte er schon seit fast 10 Jahren so. Menschen sagen "interessant" und andere Worte. Aber keiner hat ihm bisher gesagt, dass es schön aussehe.

Ich spürte, wie meine wenigen, ernstgemeinten Worte sein Herz öffneten und in ihm Freude verbreiteten. Ich war innerlich jedoch schockiert darüber, dass es noch keiner geschafft hatte, diese zugegeben sehr eigenwillige, aber schöne Kreation zu loben.

Ich ging aus der Apotheke und war irgendwie berührt. Irgendwie mit Freude erfüllt, weil ich diesen Mann sichtlich erfreuen konnte, aber auch mit einer Traurigkeit, weil mir bewusst wurde, wie sehr wir Menschen an freundlichen und mutmachenden Worten sparen.

Wir sparen so sehr damit, als würden sie uns etwas kosten. Als wären sie teuer, als müsste man sie sorglich zusammenhalten, dass sie sich nicht verschwenden und am Ende nichts mehr da ist. Als ob es uns wehtun würde, wenn wir gute, freundliche Worte oder Komplimente weitergeben. Als ob es nicht mehr passt in eine Zeit, in der jeder nur auf das Seine schaut und kaum noch den anderen sieht. Kaum noch das Schöne und Löbliche im anderen zu sehen vermag.

Eine Freundin erzählte mir kurz nach meinem Erlebnis, wie sie etwas ähnliches erlebt hat. Sie beobachtete ein älteres Paar, wie die Frau den Schuh ihres Mannes gebückt zuband. Sie war davon so angerührt, dass sie zu dem Paar ging und ihnen sagte, wie schön sie es fände, wie sie sich umeinander kümmern. Sie fragte, wie lange sie schon verheiratet seien und die Augen der alten Leute begannen zu strahlen, als sie von sich erzählen konnten.

Kleine Begebenheiten. Kleine Gesten. Kleine Augenblicke. Kleine Worte.

Offene Augen. Freundliche Blicke. Wachsame Ohren um das Flüstern der Stimme Gottes zu hören.

Mitten in unserem Alltag. Mitten in unserem Leben. Mitten da, wo auch immer du dich befindest.

Spare nicht mit guten Worten. Spare nicht mit liebevollen Gesten. Spare nicht mit deiner Liebe, die sich darin zeigt. Spare nicht daran, innezuhalten, auch wenn dich alles drängt. Spare nicht an Herzlichkeit, an Menschlichkeit, an Freundlichkeit.

Unsere Welt, die Menschen um dich herum sehnen sich so sehr danach!

Heute las ich Philipper 4, 5 - hier in drei verschiedenen Überlieferungen:

"Alle in eurer Umgebung sollen zu spüren bekommen, wie freundlich und gütig ihr seid."
"Alle Menschen sollen eure Güte und Freundlichkeit erfahren."
"Lasst alle Menschen sehen, wie herzlich und freundlich ihr seid!"

Das ist ein gewaltiger Auftrag, den uns Paulus, inspiriert vom Heiligen Geist, hier gibt. Und ohne den Heiligen Geist in uns wäre das ein ziemlich aussichtsloser Fall!

Aber dazu sind wir berufen! Petrus schreibt es so in 1.Petrus 3,9:

Vergeltet Böses nicht mit Bösem und Schimpfwort nicht mit Schimpfwort, sondern entgegnet gute segnende Worte! Denn Gott hat euch berufen, ein Segen zu sein.

In der Lutherbibel heißt es am Ende so:

sondern segnet vielmehr, weil ihr dazu berufen seid, auf dass ihr Segen erbt.

Es ist unsere Berufung, gute und segnende Worte zu sprechen. Sogar dann, wenn uns Unrecht getan wird und wir beschimpft werden.

Vor einigen Tagen war ich mit meiner Freundin im Auto unterwegs und wir suchten ein spezielles Haus und fuhren daher etwas langsamer. Als wir dann in eine Einfahrt fuhren, hielt der Fahrer hinter uns extra an, ließ sein Fenster runter und beschimpfte uns. Wir waren so perplex, aber wir konnten nicht anders als dem Wagen hinterher zu rufen: Der Herr segne dich! Und er helfe dir!

Ich freute mich, dass in mir nicht Wut oder auch ein schimpfendes Wort heraus kam, sondern Segen. Fast ohne das ich es bewusst machen musste. Es kam einfach. Warum? Weil der Heilige Geist Raum hat und er Segen ausspricht durch uns.

Wenn ich das so schreibe, wird mir bewusst, welchen Reichtum Gott in uns gelegt hat. Wir dürfen nicht nur freundlich und gütig sein mit den Menschen, die uns begegnen. Wir dürfen sie auch segnen. Und der Segen Gottes ist das größte, was wir über einen Menschen aussprechen können.

Willst du so ein Mensch sein? Willst du reichlich Gottes Güte bekannt machen unter den Menschen und seinen Segen über Menschen aussprechen?

Fange da an, wo du bist. In deiner Familie. Mit deinem Mann und deinen Kindern. Mit deinen Eltern. Oder an deinem Arbeitsplatz mit deinen Kollegen. Spreche mutige freundliche Worte (denn man braucht dazu tatsächlich oft Mut!) und segne in deinem Herzen oder auch laut.

Wir sind berufen Segen zu bringen und Segen von unserem allmächtigen liebenden Vater zu ererben. Das ist unsere wahre Berufung!